Kapitel 12

 

Wieviel wiegt eine Freundschaft?

 

Nachdem der kleine Zauberstern zum ersten Mal seit trölftausend Jahren Freundschaft mit dem stets sausenden Himmelsturm Brausewind geschlossen hatte, machten sich beide sogleich auf den Weg. Herr Brausewind zeigte dem kleinen Zauberstern zuerst verschiedene wunderbare Orte auf der Erde. Hier genossen sie intensiv die Farben und Klänge der Natur und hatten sehr viel Freude dabei. Sie sausten, bliesen, blinkten und hopsten wild herum und merkten dabei gar nicht, wie die Zeit verging, so schön war es. Doch irgendwann fiel ihnen auf, dass  sie ihre Arbeit, nämlich Farben zu verteilen und den Wind zu blasen, sehr vernachlässigten.

 

„Mmhhhh“, sagte der kleine Zauberstern, „es ist wohl besser, wir kümmern uns erstmal um unsere Aufgaben und treffen uns ein anderes Mal wieder. Was meinst du?“ „Hmmm, pffffft“, zischelte Herr Brausewind zurück, „lass uns gerne bald wieder treffen. Unsere Freundschaft ist so schön und du bist echt schwer in Ordnung.“ „Soso“, überlegte der kleine Zauberstern kurz, „was bedeutet schwer in Ordnung? Lässt sich unsere Freundschaft denn wiegen? Oder gibt's dafür sogar ein Gewicht?“ „Nö, aber so genau weiß ich das auch nicht“, antwortete Herr Brausewind. „Das ist halt so eine Redensart, die ich von Toralf Erdbatz übernommen habe“, entgegnete er ihm. „Toralf, wer?“, wollte der kleine Zauberstern neugierig wissen. „Wer ist denn das? „Toralf Erdbatz“, so erklärte Herr Brausewind, „ ist ein anderer Freund von mir. Der liegt immer nur herum und lässt alles und jeden auf sich wachsen und wohnen und spielen. Deshalb finden ihn alle schwer in Ordnung.“ „Aha! Jetzt verstehe ich“, unterbrach ihn der Zauberstern freudig hopsend, „du bist also ganz leicht in Ordnung, weil du aus Luft bist und der Erdbatz ist sogar dermaßen schwer in Ordnung, dass er nur noch herumliegen kann, richtig?“ Herr Brausewind schaute etwas verdutzt aus seiner Sturmfrisur und meinte „Ich weiß es wirklich nicht so genau, aber vielleicht kannst du ja bis zum nächsten Mal einen deiner schlauen Sterne fragen?“ „Das mache ich dann mal lieber gleich, denn sonst blinke ich mich vor lauter Neugierde noch ganz heiß, rief der kleine Zauberstern. Anschließend komme ich dich wieder besuchen und du stellst mir Toralf vor, ja?“ „So machen wir das, mein strahlender Freund“, entgegnete Herr Brausewind. „Ich freue mich auch schon auf ein Wiedersehen. Zauberstern? Hallo? Wo bist du?“

 

Schnell wie ein geölter Blitz machte sich der kleine Zauberstern wild hopsend auf die Reise zu seinem schlauen Freund, den blauen Zwerg.

 

Nur ein ganz schlauer Stern konnte die Frage, ob Freundschaft ein Gewicht hat, jetzt ausreichend beantworten. Einer war zum Glück relativ nah, aber zum großen Entsetzen des kleinen Zaubersterns schlief dieser gerade. Er überlegte: „Mmmhh, ich habe keine Wahl und muss ihn jetzt sofort wecken, damit ich mich vor lauter Neugierde nicht überhitze“. Er schlich sich an den blauen Zwerg heran und zielte mit einem Zaubersternkitzelstrahl genau auf die Mitte seiner Nasenspitze. „Boaahh, kicher, nicht doch, hihihihi, ich bin doch so kitzelig“, rief der blaue Zwerg entsetzt.

 

„Ach du bist es! Das hätte ich mir ja denken können. Du blinkender Frechdachs weckst also friedlich schlummernde Sterne mit deinem lustigen Kitzelstrahl. Und weshalb?“ „Lieber blauer Zwerg“, begann der Zauberstern seine Frage besonders höflich, „ich habe einen neuen Freund. Den Herrn Brausewind Himmelssturm und ich weiß nicht, ob der schwer oder leicht in Ordnung ist, und wieviel unsere Freundschaft zusammen gerechnet wiegt.“ „Also“, begann der blaue Zwerg ganz ruhig und mit Bedacht zur Antwort auszuholen: „Obwohl das nur eine sogenannte Redensart der Menschen ist, mit der sie zum Ausdruck bringen, jemanden wirklich zu mögen, können wir Sterne die Freundschaft tatsächlich wiegen.  Herr Brausewind und Toralf Erdbatz sind vermutlich gleich schwer in Ordnung, obwohl der eine aus Luft und der andere aus Erde besteht. Im Grunde genommen spielt es gar keine so große Rolle, aus welchem Material der Freund gemacht ist. Wenn wir Sterne die Materie unserer benachbarten Freunde aufnehmen, dann werden wir ganz langsam immer schwerer bis wir irgendwann vor lauter Glück zu leuchten beginnen.

 

Bei den Menschen funktioniert das genau andersrum, nämlich im Herzen. Immer wenn zwei Menschen sich sehr gerne mögen, so dass sie viel miteinander unternehmen, fühlen sich ihre Herzen ganz leicht an und manchmal strahlen sie dann sogar. In Erinnerung an die Zeit, als auch die Menschen noch Sterne waren, sagen sie dann eben heute noch, jemand sei schwer in Ordnung.“ „Ahaaaa“, der kleine Zauberstern stoppte kurz mit dem Blinken. „Also kann ich Toralf und Herrn Brausewind gleich schwer in Ordnung finden, obwohl sie unterschiedlich schwer sind?“ „Ja genau“, fügte der blaue Zwerg hinzu, „eigentlich kannst du sogar behaupten, dass jemand umso schwerer in Ordnung ist, je leichter sich dein Herz mit ihm anfühlt.“ „Dann ist es ja ganz einfach“, freute sich der kleine Zauberstern und bedankte sich bei dem blauen Zwerg für die ausführliche Erklärung.

 

Der Zauberstern war wirklich beruhigt über die Erkenntnis, dass nicht eine Waage, sondern unser Herz etwas darüber sagt, wie schwer ein Freund in Ordnung ist und fühlte ganz viel Buntes, während er stetig hopsend und zufrieden Zaubersternkitzelstrahlen in alle Richtungen verteilte.

 



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